Wie alles begann
2013 lernt die gebürtige Sambierin Beatrice Chama bei einem Besuch in Deutschland erstmals Frauenhäuser kennen, die es in Sambia bis dato nicht gibt. Begeistert von diesem Konzept überzeugt sie ihre Freunde, den i+m Inhaber Jörg von Kruse und damaligen Geschäftspartner Bernhard von Glasenapp, mit ihr gemeinsam in ihrer Heimatstadt Kabwe, und damit der zweitgrößten Stadt von Sambia, das erste Frauenhaus des Landes zu bauen.
Ziel ist es, einen sicheren Zufluchtsort zu schaffen, der Frauen Schutz vor häuslicher Gewalt und neue Perspektiven ermöglicht.
Aus Idee wird Wirklichkeit
Trotz geringer finanzieller Mittel gelingt es mit hohem Engagement der Initiatoren und Mithilfe von vielen sambischen Frauen, das erste Frauenhaus innerhalb von einem Jahr zu erbauen.
Das Frauenhaus ist zu Beginn ein Zufluchts- und Notaufnahmeort für ca. 25 Frauen und ihre Kinder. Die Leitung des Frauenhauses liegt zunächst in den Händen der allseits geliebten, charismatischen Mitgründerin Beatrice. Nachdem Beatrice zum Entsetzen aller unerwartet 2020 mit nur 56 Jahren an Herzversagen verstirbt, übernimmt ihre Tochter Kalama Kyebo die Leitung des Frauenhauses. Ehrenamtlich unterstützt wird sie aus Deutschland durch die Sozialarbeiterin Gabi Müßig, die 2020 ein Volontariat im Frauenhaus absolviert hatte.
Hilfe zur Selbsthilfe: Ein Projekt von sambischen Frauen für sambische Frauen
Von Beginn an waren sich alle einig, dass das Frauenhaus von sambischen Frauen konzipiert und vor Ort betrieben wird. i+m sollte die Finanzierung gewährleisten und das Projekt von Deutschland aus organisatorisch unterstützen.
Wir von i+m halten diesen modernen entwicklungspolitischen Ansatz aus verschiedenen Gründen für den richtigen: Zum einen kann das Hilfsprojekt durch die Konzeption und Planung von einheimischen Frauen optimal auf die dortigen Bedürfnisse und Verhältnisse ausgerichtet werden. Zum anderen wird hierdurch eine eigenverantwortliche Struktur und ein Ort geschaffen, der die Emanzipation und Selbstbestimmung der Frauen stärkt. Schließlich kann das Hilfsprojekt erheblich kostengünstiger und damit effektiver betrieben werden, da keine teuren Stellen für zumeist ausländische Entwicklungshelfer*innen vor Ort eingerichtet werden müssen.
Metamorphosen Pionierphase
Wie alle Pionierprojekte hat auch das Frauenhaus von Beginn an mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen und auf Fragen Antworten zu finden, die es bisher nicht gab.
- Wie sollen die Frauen ausgesucht werden in einem Land mit viel häuslicher Gewalt, aber nur einem einzigen Frauenhaus?
- Wie soll zwischen Leid durch Hunger in einem der finanziell ärmsten Länder der Welt und dem Leid durch häusliche Gewalt unterschieden werden?
- Wie lange sollen die Frauen bleiben dürfen, für die es oft keine zumutbaren Perspektiven außerhalb des Frauenhauses gibt?
- Wie sollen die traumatisierten Frauen psychologisch betreut werden in einem Land, in dem es solche Fachkräfte nicht gibt?
Fokus auf Mädchen und junge Frauen
Wo es keine generellen Antworten gibt, müssen konkrete Lösungen gefunden werden. Und wo es diese nicht gibt, muss das Konzept angepasst werden.
So stellten wir etwa fest, dass die meisten Frauen Analphabetinnen und ohne jede Ausbildung waren. Da es oft keinen Rückweg in ihre häusliche Situation gab, hätte man hier ansetzen müssen, aber dafür war unser Projekt als kurzfristige Notaufnahmestation nicht geeignet. Auch mussten wir feststellen, dass wir den Frauen keine angemessene psychologische Betreuung bieten konnten.
Daher beschlossen wir 2019 das Haus hauptsächlich für Mädchen zu öffnen, die Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt waren und sie längerfristig in unserem Projekt leben zu lassen, um ihnen eine bessere Betreuung, den Schulbesuch oder eine Ausbildung zu ermöglichen.
Waisenhaus für Mädchen
Es stellte sich aber im Laufe der Zeit heraus, dass die Differenzierung zwischen der Erfahrung von häuslicher und sexueller Gewalt einerseits und anderen Notsituationen, wie z.B. dem Aufwachsen als Waise oder in zerrütteten Familien, oft weder technisch noch ethisch eindeutig vorzunehmen war. Schließlich passten wir unser Konzept nochmals an, bauten die Gebäude um und öffneten auf Bitte der örtlichen Sozialbehörde unser Haus auch für Mädchen aus anderen Notsituationen.
Neuausrichtung und Fokus auf Schule
So war im Laufe der Jahre aus dem ursprünglichen Frauenhaus ein Mädchenhaus und teilweise sogar ein Waisenhaus geworden. Doch nach ein paar erfolgreichen Jahren haben wir uns 2024 entschieden, das Projekt nicht mehr in dieser Form weiterzuführen und uns auf die Schule zu konzentrieren.
Unser kleiner Verein war nicht mehr in der Lage, die immer höheren bürokratischen Anforderungen der örtlichen Behörden zu erfüllen. Zudem machen Behördenwillkür und fehlendes qualifiziertes Personal vor Ort unmöglich, die Betreuung traumatisierter Frauen und Mädchen adäquat leisten zu können.
Trauer und Visionen
Uns fiel diese Entscheidung unendlich schwer, gleichwohl halten wir sie alle im Vorstand des Vereins für richtig. Kleine Projekte, bzw. Systeme müssen mehr als große auf ihre Ressourcen achten und sich stärker anpassen, ansonsten können sie nicht sinnvoll wirksam sein. Andererseits – und das ist die gute Nachricht – sind kleine Systeme anpassungsfähiger und damit auch überlebensfähiger als große. Im Übrigen gilt dies genauso für i+m als kleines Unternehmen, dass in einem sich stark verändernden Umfeld mit übermächtigen Handelsketten und Konkurrenten unterwegs ist.
Genau diese Stärke haben wir bisher genutzt und werden sie weiter nutzen, indem wir immer wieder neu schauen und uns kritisch hinterfragen, wo wir am wirksamsten helfen können und unser Projekt mit Agilität und Schnelligkeit auf die sich verändernden Umständen anpassen. Für unser Projekt in Sambia bedeutet dies vorläufig von der Idee einer stationären Einrichtung für Frauen und Mädchen wegzugehen und das Haus zu einem für alle offenes Kulturzentrum umzuwandeln, bei dem wir weiterhin einen Schwerpunkt bei Frauen- und Genderthemen setzen werden.
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