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Reduce, reuse, recycle – Interview mit CRCLR

Green Lifestyle, Nachhaltigkeit, Inside i+m

Artikel von Sylke am 7. August 2019

Die versierte Wortjongleurin mit Berliner Schnäuzchen bloggt seit vielen Jahren – am liebsten zu den Themen Nachhaltigkeit, Feminismus und New Work.

Reduce, reuse, recycling!

Plastik ist zu Recht in der Kritik und dessen Konsum sollte dringend überdacht werden. Nach unserem letzten optimistischen Filmsalon zum Thema Müll haben wir mit Alice Grindhammer, Wadzi Motsi-Khatai und Paul Kurreck von CRCLR noch ein paar offene Fragen zum Thema Plastik und Recycling geklärt.

Viele unserer Verpackungen sind aus Kunststoff, genauer gesagt Polypropylen (PP). Die Gründe dafür haben wir bereits in einem Blogartikel aufgeführt. Doch das ist nicht der Weisheit letzter Schluss – wir sind weiterhin aktiv auf der Suche nach umweltfreundlicheren Verpackungsalternativen.
Unser nächstes Ziel auf diesem Weg: Bis Ende 2020 ist die i+m NATURKOSMETIK Körperpflege nur noch in Recyclingkunststoff oder Glas verpackt. Um aber uns und Euch immer auf dem neuesten Stand der Erkenntnisse zu halten, haben wir mit Expert*innen gesprochen.

Interview mit CRCLR

Alice, Wadzi und Paul von CRCLR haben i+m ein Interview gegeben, um einige Fragen zum Thema Plastik, Mülltrennung und Kreislaufwirtschaft zu beantworten.

CRCLR kommt von „circular“ und ist ein Think- und Do-Tank mit der Mission, den Übergang zu einer zirkulären Wirtschaft zu fördern, in deren Zentrum eine positive ökologische und soziale Wirkung steht. CRCLR entwickelt zirkuläre Orte, Konzepte und Lösungen – für eine Zukunft ohne Müll!

crlrc.org
Wofür brauchen wir Plastik?
Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack

Was ist so besonders bzw. nicht so besonders an Plastik?

CRCLR: Plastik ist ein Material, von dem wir in den letzten 100 Jahren extrem profitiert haben. Plastik ist eigentlich nur die umgangssprachliche Sammelbezeichnung für Kunststoffe verschiedener Arten. Es ist recycling – und wandlungsfähig, ein leichtes Material und vielseitig einsetzbar. Die Herstellung allerdings erfolgt aus einem hohen Anteil von fossilen Brennstoffen, wie Erdöl. Bei seiner Verarbeitung werden toxische und gesundheitsschädliche Stoffe freigesetzt. Und Plastik ist sehr langsam bis gar nicht abbaubar. Es zersetzt sich lediglich in immer kleinere Partikel und gerät dann als Mikroplastik in unsere Nahrungskette.

Plastik - Gefahren zu Wasser, zu Lande und in der Luft
Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack

Ist Plastik generell schlecht für die Umwelt?

CRCLR: Das Material an sich ist aus unserer Sicht nicht per se „gut“ oder „böse“. Die Frage ist vielmehr, wie, wofür und in welcher Menge wir es produzieren und einsetzen. Aktuell nutzen wir es definitiv in zu großen Mengen für zu viele Dinge: Von der Raum- und Luftfahrt über den OP im Krankenhaus bis hin zur Lebensmittelverpackung kommt Plastik zum Einsatz. Haben wir uns von Plastik abhängig gemacht? Müssen wir vollständig auf Plastik verzichten?

Es gilt in jedem Fall ein gesundes Maß zu finden – wie eigentlich bei allen Dingen. Außerdem sollten wir Plastik wirklich nur dann verwenden, wenn es recycelt werden kann. Dahingehend könnte auch von der Politik einerseits in Innovation investiert werden und andererseits Materialien verboten werden, die (noch) nicht recyclingfähig sind.

Plastik - Müllverschmutzung an Stränden
Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack

Landet mein Plastikmüll im Meer?

CRCLR: Laut Plastikatlas 2019 werden in Deutschland leider nur knapp 16% des gebrauchten Plastiks tatsächlich recycelt. Der Rest wird verbrannt. Nur ein sehr geringer Anteil landet auf Müll-Deponien. Weltweit allerdings werden nur 9% des gebrauchten Plastiks recycelt. Plastik gelangt in hohen Mengen in die Umwelt und damit auch in die Nahrungskette. Das muss enden. Die Folge sehen wir in schockierenden Bildern von plastiküberfluteten Stränden und Strudeln von Plastikmüll in den Weltmeeren – was wiederum die globale Klimakrise verstärkt.

Betrachtet man also die Mengen, den vielfältigen Einsatz und den gesamten Lebenszyklus von Plastik, wird schnell offensichtlich, dass wir dringend einen anderen Umgang mit dem Material brauchen! Wir müssten uns auf eine kleinere Auswahl von Kunststoffarten und Zusatzstoffen einigen, die kreislauffähig sind. So könnten wir den Einsatz von Kunststoff signifikant reduzieren und den ökologischen Fußabdruck deutlich verbessern!

Beseitigung des Plastikmülls in Deutschland
Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack

Ist Mülltrennung zuhause sinnvoll oder wird am Ende doch alles zusammengeschmissen?

CRCLR: Oft entsteht der Eindruck, dass die private Mülltrennung ineffektiv beziehungsweise redundant ist. Natürlich ist die grundsätzliche Müllvermeidung in jedem Fall effektiver. Aber wenn der Müll erst mal da ist, ist die Mülltrennung ein sinnvolles Mittel zum Umweltschutz. Denn erst die richtige Trennung macht das Recycling möglich. Tatsächlich sollten die Recycling-Wege und -Lösungen transparenter werden und dort wo sie noch fehlen, neue Lösungen entwickelt werden. Wer weiß schon, was mit dem eigenen Kompost oder Papier passiert?

Das sollten wir sichtbar machen, um fürs Trennen zu begeistern und gleichermaßen Verbesserungspotentiale im Recycling zu erkennen! Gleichzeitig sollten wir als Privatpersonen und Gewerbe aktiv daran arbeiten, unseren Müll zu reduzieren.

Wie können wir erreichen, dass grundsätzlich weniger Plastikmüll entsteht?

CRCLR: Die Antwort darauf ist simpel aber unbequem: Wir müssten weniger Plastik produzieren und konsumieren! Das heißt, es braucht alle: Privatpersonen, die proaktive Konsumentscheidungen treffen, eine Regierung, die mutige neue Regeln und Anreize zur Reduzierung schafft und eine Industrie, die Pionierarbeit leistet. Es wäre sicher sinnvoll, wenn sich die Industrie auf eine kleinere Auswahl von Kunststoffarten und Zusatzstoffen einigen könnte, die kreislauffähig sind.

Kunststoffe, die nicht kreislauffähig sind, sollten eigentlich gar nicht erst auf den Markt gelangen. Die aktuelle Wirtschaft ist immer noch auf einen linearen Prozess unter dem Motto „Rohstoffe erschließen, produzieren, wegwerfen“ ausgerichtet. Dadurch verschärfen wir viele große Probleme unserer Zeit wie Ressourcenknappheit, Klimawandel und soziale Ungleichheit. Deshalb setzen wir bei CRCLR auf Konzepte der zirkulären Ökonomie, die auf Reduzieren (Reduce), Wiederverwenden (Reuse) und Recycling basieren.

Dazu gehören auch Sharing-Initiativen, bei denen Objekte wie zum Beispiel elektronische Geräte effizienter verwendet werden können. Diese sollten politisch viel stärker unterstützt werden.

Die 10 grössten Plastikverschmutzer
Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack

Wer trägt die Verantwortung für die Vermeidung von Plastikmüll?

CRCLR: Die Hauptursache für die Plastikkrise liegt nicht bei den Verbraucher*innen, sondern bei international agierenden Unternehmen. Würden die vorangehen, zögen alle anderen nach.

Für klare Regulierungsvorgaben, eindeutige Verbote und wirtschaftliche Anreize sitzt natürlich die Politik am Hebel. Da ist noch massig Luft nach oben.

Doch auch wir als Konsument*innen tragen selbstverständlich einen Teil der Verantwortung. Nur mit dem Bewusstsein unseres Ressourcenverbrauchs werden wir auch Wert darauf legen, Müll zu vermeiden. Außerdem sollten wir unseren Konsum ruhig öfter Mal hinterfragen: Brauche ich das wirklich? Was ist da drin? Wie wurde das hergestellt? Gibt es das auch in ökologischer Variante?  

Generell würden wir uns allerdings von Unternehmen und Politik wünschen, jetzt substantiell die Weichen für eine nachhaltige und sozialgerechte Zukunft zu legen in jeder Entscheidung, die sie treffen!

Also jeder Kauf ein Schnauf?

CRCLR: Natürlich kann und will nicht jede*r pausenlos moralische Entscheidungen treffen bei jedem Einkauf. Schöner wäre es da, wenn beispielsweise Lebensmittel, die in Deutschland verkauft werden, auch ökologisch und sozial nachhaltig produziert werden. Da läge dann der Ball im Feld von Herstellern, Handel und Gesetzgebung. Ein Deutschland, das nebst BIP (Bruttoinlansprodukt) auch den CO2-Fußabdruck messen würde, hätte ganz andere Steuerungsmöglichkeiten! Wir wünschen uns da von Politik und Unternehmen mehr Mut, den Wandel zu einer nachhaltigen und sozialgerechten Zukunft viel aktiver zu gestalten.


Vielen Dank, Alice, Wadzi und Paul, für Eure informativen Antworten. Ihr habt uns inspiriert und angespornt in unseren Bemühungen, auch weiterhin an unserem Umgang mit Plastik zu arbeiten und unserem Wunschziel von Zero Waste ein Stück näher zu kommen. Zu unseren aktuellen Verpackungs-Verbesserungs-Bemühungen gibt es hier demnächst, mehr zu lesen.

Info-Grafiken: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0
Titelbild: Photo by Jilbert Ebrahimi on Unsplash


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